Warum die Aerodynamik bei Motorrad-Rennhelmen so wichtig ist, warum sie einen Spoiler haben und wie sich das Zusammenspiel der Schutzvorrichtungen auf die Höchstgeschwindigkeit auswirkt. Lesen Sie mehr auf Demonerosso.
Warum die Aerodynamik bei Motorrad-Rennhelmen so wichtig ist, warum sie einen Spoiler haben und wie sich das Zusammenspiel der Schutzvorrichtungen auf die Höchstgeschwindigkeit auswirkt. Lesen Sie mehr auf Demonerosso.
Schutz und Leichtigkeit. Fragen Sie einen beliebigen Motorradfahrer, worauf er beim Kauf eines neuen Rennhelms achtet. Die häufigsten Antworten werden wahrscheinlich Schutz und Leichtigkeit sein. Und genau darauf konzentrieren sich die Helmhersteller seit fünfzig Jahren.
Anfang der 70er Jahre testete Giacomo Agostini zum ersten Mal einen Integralhelm – und zwar auf der belgischen Rennstrecke Spa Francorchamps, die für ihre Schnelligkeit bekannt ist. Dort sollen sich der Kinnschutz und das Visier des neuen Helms in der ersten Runde so stark gegen sein Gesicht gepresst haben, als er sich mit 250 km/h aus der Rennposition aufrichtete, um ein Bremsmanöver einzuleiten, dass Ago zur Box zurückkehrte und erklärte, nie wieder mit einem Integralhelm fahren zu wollen. Zu seinem und unserem Glück hat Ago seine Meinung geändert und mit AGV für die Entwicklung des X3000 zusammengearbeitet – ein Helm, der sehr komfortabel und stabil bei hohen Geschwindigkeiten ist. Heute käme niemand mehr auf die Idee, mit einem Jet- oder Schalenhelm auf die Rennstrecke zu gehen – nicht einmal mit dem kleinsten Motorrad.
Schutz und Leichtigkeit sind grundlegende Faktoren bei der Wahl eines Motorradhelms, aber nicht die einzigen. Im Laufe des letzten Jahrzehnts führte die zunehmende Professionalisierung des Sports dazu, dass die Fahrer auf den verschiedenen Motorrädern immer extremere und aneinander angeglichene Leistungen erzielen konnten. Daher versuchte und versucht man, durch die Arbeit an Details, die bis vor Kurzem noch als wenig relevant galten, Wettbewerbsvorteile herauszuholen. Ein Beispiel dafür ist die Aerodynamik von Helmen.
Ein moderner Rennhelm muss bei einem Aufprall schützen, Kopf und Nacken des Fahrers nicht belasten und die Luft optimal durchschneiden. Er muss bei hohen Geschwindigkeiten beim Sich-Aufrichten aus der Rennposition stabil auf dem Gesicht des Fahrers bleiben – genau das, was beim ersten Helm von Ago fehlte. Letzterer war auf dem Kopf sehr instabil, auch aufgrund der nicht optimal gestalteten Innenausstattung, doch vor allem fehlte ihm die Fähigkeit, die Luft zu durchschneiden – bei diesen Geschwindigkeiten ein Schlüsselaspekt. Denn je geringer die Durchdringungsfähigkeit eines Helms ist, desto weniger ist er aerodynamisch und desto mehr zeigt sich jener unerwünschte Effekt, den Agostini mit seinem ersten Helm auf der Rennstrecke von Spa-Francorchamps zu beklagen hatte.
Was die Leichtigkeit betrifft, muss man vorab eine Sache klarstellen: den Unterschied zwischen statischer Last und dynamischer Last. Die statische Last lässt sich leicht mit einer gängigen Waage messen und kann einfach überprüft werden, indem man den Helm im Geschäft in die Hand nimmt. Die dynamische Last hingegen hängt mehr als die statische von den in der Entwurfsphase durchgeführten aerodynamischen Studien ab und davon, wie sich der Körper verhält, wenn er in das entsprechende Fluid, also die Luft, eintaucht.
Dynamische Last und aerodynamische Leistung sind also eng miteinander verbunden; beide hängen von der Silhouette des Helms und der Art und Weise ab, wie dieser die Luft durchschneidet. Das Ziel von AGV ist es, ein Produkt mit neutraler dynamischer Last zu schaffen, das bei den entsprechenden Geschwindigkeiten, die sich je nach Kategorie sehr unterscheiden, den Kopf des Fahrers weder nach unten drückt noch nach oben zieht.
Jeder Körper, der in ein Fluid eintaucht, ist dessen Kräften ausgesetzt. Bei einem Luftstrom kann zwischen Auftrieb (lift) und Luftwiderstand (drag) unterschieden werden. Der Auftrieb ist die Kraft, die Flugzeuge zum Fliegen nutzen: Einfach gesagt also jene Kraft, die einen Körper in Bewegung nach oben drückt. Sobald die Flügel umgeklappt werden, verwandelt sich der Auftrieb ins Gegenteil, in Abtrieb, der in die entgegengesetzte Richtung wirkt und dazu neigt, ein Objekt am Boden zu halten. Diesen Effekt versuchte man seit den 1970er-Jahren bei den Rennwagen und in jüngerer Zeit auch bei den Grand-Prix-Motorrädern zu erreichen, und zwar durch die Montage verschiedener aerodynamischer Komponenten.
Der Luftwiderstand wiederum ist – wie das Wort selbst schon sagt – eine Kraft, die der Bewegung entgegenwirkt: jene Kraft, die Agos Helm gegen sein Gesicht drückte. Der Luftwiderstand wirkt im Gegensatz zu Auftrieb/Abtrieb immer in die entgegengesetzte Richtung zur Bewegung und ist der Feind Nr. 1 für alle, die auf der Rennstrecke antreten – denn er lässt uns langsamer werden.
Ein einfaches Beispiel, das zum besseren Verständnis beiträgt: Versuchen Sie beim Autofahren eine Hand aus dem Fenster zu strecken. Schon bei etwa 40 km/h spüren Sie, welche Kraft die Luft auf ihre Hand ausübt und wie sich diese verändert, je nachdem wie Sie die Hand halten. In der einen Position wird die Hand nach unten gedrückt, in der entgegengesetzten nach oben; in beiden Fällen spürt man einen gewissen Widerstand gegen die Bewegung nach vorne.
Aufgrund der Dynamik der Luftströmungen um den Kopf des Fahrers neigt ein glatter Helm ohne Zusatzelemente über kurz oder lang dazu, sich anzuheben. Je schneller sich die Luft bewegt, desto geringer ist der Druck über und hinter dem Helm und desto instabiler wird er. Bei einigen Modellen ist dieser Effekt besonders ausgeprägt und tritt bereits bei etwa 100 Kilometern pro Stunde auf. Bei einem Motorrad mit gutem aerodynamischen Schutz tritt dieses Phänomen in geringerem Maße auf.
Beim Fahren eines MotoGP™-Motorrads – also in einer Situation, in der sowohl das Motorrad mit seinen Bauteilen als auch die gesamte Schutzausrüstung auf eine harte Probe gestellt wird – darf die Schutzausrüstung in keiner Weise stören, den Fahrer ausbremsen oder seine Bewegungen behindern. Im Gegenteil: Die Kleidung muss in gewisser Weise „neutral“ sein, eine natürliche Passform aufweisen, sodass der Träger in keinster Weise eingeschränkt wird. Deshalb ist es notwendig, das soeben erläuterte Phänomen des Anhebens des Helms zu vermeiden oder so weit wie möglich einzudämmen. Zu diesem Zweck setzen wir eine Technologie ein, die jener für Sport- und Rennwagen ähnelt: Für unsere Helme haben wir einen hinteren Spoiler entwickelt, realisiert und montiert. Genau wie bei den Autos wurde auch beim Rennhelm auf Abtrieb geachtet – oder genauer gesagt versucht, den Auftrieb so gering wie möglich zu halten.
Aus diesen Studien entstand im Jahr 2012 der AGV Pista GP. Ein Wendepunkt: Es ist der erste moderne Helm, der im Windkanal entstanden ist. Jetzt, Jahre später, ist der Pista GP in seiner dritten Version unter dem Namen Pista GP RR auf dem Markt und wird auch von den MotoGP™-Fahrern getragen – der fortschrittlichste Motorradhelm, der jemals entwickelt wurde. Der Pista GP RR ist also die jüngste Weiterentwicklung des AGV-Rennhelms und das beste Beispiel dafür, wie wichtig Aerodynamik ist.
Dank der besonderen Form der Schale und durch das Hinzufügen eines hinteren Spoilers, der in seiner aktuellen Version den Namen Pro Spoiler trägt, war es möglich, den Auftrieb stark zu reduzieren und einen Wert von nur 1,6 kg bei 160 km/h zu erreichen – was der ungefähren Durchschnittsgeschwindigkeit auf den meisten Motorrad-WM-Rennstrecken entspricht. Mit anderen Worten: Bei dieser Geschwindigkeit hebt die Luft den Helm um einen Wert an, der ungefähr seinem Gewicht (1.450 g) entspricht. Die Gewichte heben sich also gegenseitig auf, sodass der Pista GP RR auf dem Kopf des Fahrers ein neutrales Gewicht hat.
Der wichtigste Aspekt ist jedoch die Gesamtform des Helms, durch die das „Schließen“ der Luftströme unter dem Helm selbst gefördert wird, sodass der Luftwiderstand (dieser erreicht auch dank des speziellen keilförmigen Kinnschutzes bei 160 km/h einen Wert von nur 4 kg) sowie auch die durch die entstehenden Turbulenzen verursachten Fluktuationen auf ein Minimum reduziert werden. Dieses Phänomen, das als Vortex Shedding bezeichnet wird, ist besonders beim Bremsen störend, wenn sich der Fahrer aus der Rennposition erhebt und der Helm vollständig von der Luft umgeben ist. In dieser Situation sorgen die Form des Kinnschutzes des Pista GP RR und der Spoiler dafür, dass der Helm nicht zu sehr gegen das Gesicht gedrückt wird. Zudem werden die durch Vortex Shedding verursachten Fluktuationen auf ein Minimum reduziert, was dem Fahrer zugute kommt: Sein Kopf wird stabilisiert und seine Sicht verbessert sich. Dies steigert den Komfort, die Konzentration und die Leistung, da sich der Fahrer besser auf seine Umgebung konzentrieren kann, sowohl allgemein als auch beim Fahren in die Kurve.
Die Tests im Windkanal sind nicht nur bei den Helmen sinnvoll, um Instabilität zu reduzieren und dem Fahrer den größtmöglichen Komfort zu bieten. Durch eine optimale Abstimmung aller Teile der Motorradbekleidung können insbesondere bei Motorrädern mit kleinem oder mittlerem Hubraum in Sachen Leistung erhebliche Steigerungen erzielt werden – vor allem was die Höchstgeschwindigkeit betrifft.
Entscheidend ist hier die Kombination Helm-Motorradanzug, insbesondere die Kontur, die durch die Verbindung der Helmform mit dem Höcker am Rücken entsteht. Eine Reihe instrumenteller Messungen hat ergeben, dass die Kombination aus dem Rennhelm AGV Pista GP RR und dem Anzug Dainese Mugello RR D-air® es den Fahrern ermöglicht, höhere Höchstgeschwindigkeiten (und zwar um mehrere km/h!) zu erreichen als dies mit Helmen und Anzügen anderer Hersteller der Fall ist. Die beiden Produkte wurden entwickelt, um gemeinsam getragen zu werden und sorgen für eine optimale aerodynamische Effizienz.
Ein Vorteil, der vor allem bei Motorrädern mit kleinem Hubraum einen großen Unterschied machen kann, insbesondere in der Moto3, wo die Maschinen weniger leistungsstark sind und geringere Höchstgeschwindigkeiten als in der MotoGP™ erzielt werden (im Jahr 2023 wurden dort 370 km/h erreicht!). Die Moto3-Motorräder, die Einzylinder-Motoren mit 250 cm³ und Leistungen um die 60 PS nutzen, erreichen Spitzengeschwindigkeiten zwischen 240 und 250 km/h und bei solchen Werten kann jedes Detail entscheidend sein.
Bei Dainese ist die Kombination Helm-Anzug nur eines der möglichen Beispiele. Zu den innovativsten Entwicklungen zählt die Verbindung von Anzug und IN-Stiefeln – ein Schuh, der darauf ausgelegt ist, unter dem Anzug getragen zu werden. Auch diese Dainese-Technologie, dank der die Stiefel unter dem Anzug getragen werden können, bringt Vorteile in aerodynamischer Hinsicht: Sie sorgt für eine schlanke Silhouette und eine glatte Oberfläche ohne hervorstehende Elemente, wodurch die IN-Stiefel herkömmlichen, außen getragenen Stiefeln überlegen sind. Wir haben das Thema in diesem ausführlichen Artikel behandelt.
Die Leistungsfähigkeit von Rennmotorrädern wird stetig besser – und mit ihr auch die Technologie der Schutzkleidung der Fahrer. Eine obsessive Suche nach Perfektion, die die Verwendung hochwertiger Materialien, das Forschen nach neuen Lösungen in allen Bereichen – von der Ergonomie bis zum Schutz im engeren Sinne – sowie eine akribische Liebe zum Detail von Kopf bis Fuß umfasst.
Nur so ist es möglich, den Rennpiloten und allen begeisterten Hobbyfahrern eine hochmoderne Ausrüstung zur Verfügung zu stellen, mit der sie ihr Bestes geben und ohne Einschränkungen fahren können – auch in extremen Umgebungen wie auf den Höchstgeschwindigkeitsstrecken der Motorrad-WM.