Bericht zur Motorradtour über die Pässe der Dolomiten in Trentino-Südtirol, Friaul und Slowenien. Reiseroute und Tipps: Erfahren Sie mehr auf Dainese Explorer.
Heute ist der Tag für eine dieser Motorradtouren, die ich gerne als „aus alten Zeiten“ bezeichne: Das einzige Ziel besteht darin, so viel wie möglich auf dem Motorrad zu sitzen, von (lange) vor Sonnenaufgang bis (lange) nach Sonnenuntergang.
Gestern habe ich das meiste vorbereitet, was ich auf diese Reise mitnehmen muss: Werkzeug-Kit und Erste-Hilfe-Set sowie Proviant und ein paar extra Schichten Kleidung in der Tasche, die ich am Motorrad befestigen werde; Kamera und verschiedene Objektive im Rucksack. Das GPS-Navi, auf das ich eine etwa 780 km lange Hauptroute geladen habe, werde ich am Lenker befestigen.
Der am weitesten entfernte Ort und Ausgangspunkt für die Rückfahrt ist klarerweise der Nationalpark Triglav in Slowenien. Abfahrt und Ankunft im Nonstal, Trentino-Südtirol.
Auf den ersten Kilometern wird es ziemlich kalt sein, deshalb ziehe ich so viele Schichten meiner Dainese Antartica wie möglich an. Um Punkt 5:30 Uhr fahre ich los. Gesellschaft leisten mir das flackernde Licht der Sterne und ein fast voller Mond. Ich versuche, mich an die Winterhandschuhe und die verschiedenen Kleidungsschichten zu gewöhnen, halte in Bozen zum Tanken an und fahre dann ins Eisacktal. Den Temperaturunterschied im Vergleich zur Stadt merke ich sofort: Das Tal bekommt tagsüber jetzt sehr wenig Sonnenlicht ab und die Nacht tut ein Übriges – obwohl es nur 300/400 Meter über dem Meeresspiegel liegt, fällt die Temperatur zeitweise unter Null.
Im Grödner Tal sind die Temperaturen auch sehr niedrig. Aufgrund der häufigen Temperaturschwankungen, die in dieser Jahreszeit auftreten, steigt bei der Fahrt auf das Grödner Joch die Temperatur allerdings wieder an: Oben angekommen genieße ich das Schauspiel des Sternenhimmels auf dem einsamen Pass, es ist 6:40 Uhr morgens. Unbezahlbar.
Im Nu bin ich auf dem Valparolapass: Der Himmel wird immer klarer, färbt sich rosa und blau, während die Wolken die höchsten, bereits mit Schnee bedeckten Gipfel krönen. Um mich herum nur Stille. Auf der Passhöhe befindet sich das „Museo della Grande Guerra“, ein Museum über den Ersten Weltkrieg. Es folgt der Falzarego-Pass und es ist bereits 8 Uhr: Schnurstracks geht es Richtung Cortina d’Ampezzo.
Hier ist ein Besuch in der Bäckerei Panificio Bettio für mich ein Ritual: Ich kaufe zwei Stück der üblichen – fabelhaften – Pizza und dazu noch zwei Stück leckere Focaccia. Ein paar zusätzliche Kalorienreserven können angesichts des heutigen langen Tages sicher nicht schaden. Ich fahre in Richtung Passo Tre Croci; An der Abzweigung zum Misurinasee biege ich dann rechts auf die SR48 ab, die hinter den Drei Zinnen vorbeiführt. Beim Durchqueren dieser Gebiete der historischen Cadore-Region wird der Wandel der Landschaft deutlich: Die gepflegten Wiesen und Weiden Südtirols weichen einer eher waldigen und unberührten Gegend.
Nach Auronzo di Cadore biege ich auf die SP169 ab. Nur die Rauchschwaden aus den Schornsteinen mehrerer Hütten verraten, dass hier Menschen wohnen. Ich passiere die Sella Ciampigotto und halte auf dem Gipfel der nahe gelegenen Sella di Razzo an, um die Stille zu genießen. Ich fahre offiziell in Friaul-Julisch-Venetien ein, in Karnien.
Die erste Ortschaft, auf die ich stoße, ist Sauris. Was macht dieses Dorf inmitten einer märchenhaften Landschaft so besonders? Es handelt sich um eine „Insel“, auf der auch Deutsch gesprochen wird, wovon die zahlreichen mehrsprachigen Schilder zeugen. Hier wird der Prosciutto di Sauris g.g.A. hergestellt, der dem Südtiroler Speck sehr ähnlich ist. Vom Staudamm, der den See bildet, gelangt man südlich von Sauris zum kurvenreichen Passo Pura. Eine wunderschöne Straße zum Motorradfahren. Von hier aus genießt man, wenn man nach Ampezzo hinunterfährt, einen herrlichen Blick auf das Tal, durch das sich der Tagliamento windet.
Dann fahre ich zum Fluss Tagliamento – einem der Plätze, die ich in meinem Herzen trage. Der Tagliamento gilt als der letzte wilde Fluss in Europa: Der Flusslauf ist über weite Strecken nicht kanalisiert, und sein Bett ist eine riesige Kiesfläche, in der eine natürliche ökologische Dynamik stattfinden kann, z. B. das Entstehen und Verschwinden von Mäandern. Ein Spektakel, das in Europa seinesgleichen sucht. Wenn man auch nur ein paar Minuten innehält, um den Fluss zu betrachten, hat man den Eindruck, ein lebendiges Wesen zu sehen, das vollkommen empfindungsfähig ist und über sein eigenes Schicksal entscheiden kann.
Ich prüfe am GPS nach, ob ich ein wenig abseits im Gelände fahren kann, und esse mein Mittagessen mit dem Tagliamento auf der einen Seite und einem malerischen Wasserfall auf der anderen. Was will man mehr?
Ich bin etwa 250 km vom Ausgangspunkt entfernt und es ist ungefähr 11 Uhr. Schweren Herzens verlasse ich die Idylle, in der ich mein Mittagessen genossen habe, und biege auf die Straße ein, die zuerst zum Passo Rest und dann ins Val Tramontina führt. Ich fahre durch wunderschöne Dörfer, bewundere die Farben des Wassers und die unberührte Natur. Von hier aus nehme ich die SP57 in Richtung Vito d'Asio. Die Straße ist sehr kurvenreich, buchstäblich zwischen Felsschluchten eingegraben: Bildlich gesprochen könnte man sagen, dass ich mich in den Mäandern der Straße verliere.
Ich tanke in Cornino und fahre dann wieder am Tagliamento entlang, der rechts von mir liegt: Das Flussbett ist enorm, das gegenüberliegende Ufer kaum zu erkennen, und es ist nicht schwer zu verstehen, warum verschiedenste Teams hierher kommen, um ihre Fahrzeuge für die Dakar zu testen.
Ich fahre gen Norden und gewinne dank der tadellosen SS13 einen Teil der Zeit zurück, die ich während der notwendigen Pausen verloren habe. Nach der Abzweigung zum Neveasattel führt die Straße durch Chiusaforte hinauf zum Pass – zwischen smaragdfarbenen Bächen, tosenden Wasserfällen sowie Buchen und Lärchen in so intensiven Herbstfarben, dass sie fast zu entflammen scheinen. Ich befinde mich kurz vor der slowenischen Grenze, in der Gegend des Lago del Predil. Vor siebeneinhalb Stunden bin ich losgefahren, es ist 13:00 Uhr und ich bin 350 km von zu Hause entfernt.
Erfüllt von diesem See und seiner universellen Schönheit mache ich mich wieder auf den Weg und gelange über den Predil-Pass nach Slowenien. Nach ein paar Kilometern nehme ich die Abzweigung talaufwärts zum Mangart, im Herzen des Nationalparks Triglav. Normalerweise ist die Straße zum Gipfel des Berges gebührenpflichtig (12 km lang, 980 Höhenmeter), aber in dieser Saison ist sie frei zugänglich. Die Straße ist ein Muss für jeden Motorradfahrer: Eng, kurvenreich, ohne Geländer oder Leitplanken, erinnert sie mich manchmal an die Straße des Gaviapasses, die von Ponte di Legno heraufführt. Es geht durch zahlreiche in den Fels gehauene Tunnel, aus deren oberen Wänden das Wasser sickert. Und wenn man an der Ausfahrt eines dieser Tunnel auf das darunterliegende Tal blickt, sieht man nur den Abgrund und unzählige bunte Bäume, die einen herrlichen „Herbstlaubtunnel“ bilden.
Ich biege auf die 203 in südlicher Richtung ab, folge zunächst dem Flusslauf der Koritnica und dann dem der Soča (Isonzo), lasse Kobarid hinter mir und biege einige Kilometer weiter südlich auf eine Nebenstraße in Richtung Kolovrat und Solarij-Pass ab, die mich durch das Erbezzo-Tal zurück nach Italien bringen wird.
Von Cividale del Friuli aus setze ich meine Reise auf der ursprünglich geplanten Route fort: noch 270 km auf dem Motorrad und 5 Stunden im Sattel. Die Valcellina-Straße wiegt mich hin und her, während sich der Himmel über mir allmählich rosa färbt. Ich fahre am Barcis-See vorbei und halte an, um die Farben des Sonnenuntergangs an den Ufern des Wildbachs Cellina zu genießen.
Ich verabschiede mich endgültig von der Sonne und überquere den Passo San Osvaldo nach Longarone in einer fast gespenstischen Atmosphäre; für ein paar Minuten halte ich an der Vajont-Staumauer an. Als ich das Val di Zoldo erreiche, fahre ich wieder auf der Straße – und leider beginnt es zu regnen. Zum Glück muss ich dank des Gore-Tex® -Anzugs nicht stehenbleiben und zusätzliche wasserdichte Schichten anziehen. Nach Forno di Zoldo fahre ich weiter zum Staulanzapass.
Kurz vor der Passhöhe scheint ein prächtiger Hirsch mit seinem majestätischen Geweih auf meine Durchfahrt zu warten: Obwohl ich von der Begegnung wie elektrisiert bin, verringere ich sofort mein Tempo.
In Selva di Cadore nehme ich die sehr kurze SP251, die in der Nähe von Rocca Pietore auf die Fedaia-Passstraße trifft. Auf der Passhöhe beschließe ich, ein letztes Mal anzuhalten und nicht nur die Freude über den Moment, sondern auch über diesen unglaublichen Tag auszukosten: Hier, am Fuße der Marmolata, mache ich dank Mondlicht ein fast surreales Foto, das die „Besonderheit“ dieses Tages bestätigt.
Die letzten Kilometer gehen sehr schnell vorüber: Der Mond beleuchtet die Straße, ich biege zum Karerpass ab, fahre an Bozen vorbei und habe bergauf zum Mendelpass auch noch Zeit, die partielle Mondfinsternis zu genießen.
Nun bin ich im Val di Non, von wo aus ich gestartet bin: Der Kilometerzähler zeigt 773,7 km an, und es ist 21:52 Uhr. Damit endet einer dieser Tage, die für mich die Essenz des Motorradfahrens beschreiben. Manche werden sagen, dass eine Tour etwas anderes ist. Ich hingegen behaupte, dass das, was als Tour gilt oder nicht, eine so persönliche Angelegenheit ist, dass es keine universelle Definition geben kann. So persönlich, dass selbst ein einziger Tag auf dem Motorrad zu einer der schönsten Touren führen kann, die man je erlebt hat.
REISEROUTE ÜBER DIE DOLOMITENPÄSSE