Seit 2001 Testfahrer für die Zeitschrift Motociclismo, habe ich in meinem Leben alles ausprobiert, von MotoGP™ bis Speedway. Das Tolle daran ist, dass ich Zweiräder in all ihren Formen liebe. Als Fotograf und Videofilmer habe ich über mehrere Ausgaben der Rallye Kroatien berichtet und als Fahrer an einigen Rallyes teilgenommen, so auch am Pikes Peak im Jahr 2008, als es neben dem Asphalt noch Schotter gab. Wenn mir meine Arbeit als Fotograf und Journalist etwas Freizeit lässt, schnappe ich mir die Enduro, ob Ein- oder Zweizylinder, und fahre in die Wälder – stets mit dem Wunsch, bald in die Dünen der Sahara zurückkehren zu können, den Ort, den ich am meisten liebe.
Die Anden sind ein zu verlockendes Reiseziel, um sie nicht wenigstens einmal besucht zu haben. Wir möchten unsere Motorradtour unternehmen, wenn bei uns in Europa Sommer ist, denn dann ist in Südamerika Winter: kühle bis kalte Temperaturen, keine brennende Hitze. Denn mit der richtigen Ausrüstung ist das die bessere Wahl. Bei Kälte kann man sich warm anziehen, der Hitze zu trotzen ist schwieriger. Wir starten in Salta in Nordargentinien, auf einer BMW R1200GS, die wir vor Ort mieten. Achtung: Unbedingt die Mietunterlagen mitnehmen, denn an der Grenze ist es wichtig, alle notwendigen Papiere beisammen zu haben, sonst könnte man am Zoll aufgehalten werden.
Meine wasserdichte Tasche mit meinen Sachen lasse ich von unserem Servicefahrzeug transportieren. So muss ich in die Hartschalenkoffer meines Motorrads nur wenige Dinge packen, die ich tagsüber benötige: dicke Handschuhe, einen Ersatz-Sweater, einen Regenanzug und eine Wasserflasche. In meinem Fall muss auch für einen Teil meiner Kameraausrüstung Platz sein. Ich bin Fotograf und habe stets viele Dinge dabei – wie alle mit einer Leidenschaft für Fotografie. Mein Ratschlag ist es, niemals das Kameragehäuse und die Objektive auf dem Motorrad zu transportieren, ob im Seitenkoffer oder im Tankrucksack macht wenig Unterschied: Im Gelände ist das Motorrad sehr viel härteren Erschütterungen ausgesetzt als der Fahrer. Man sollte also dringend Kamera und Objektiv in einem Rucksack oder einer Gürteltasche verstauen, während ein kleines Stativ auch im Koffer Platz finden kann.
Von Salta aus fahren wir nach Norden und erreichen, immer noch auf argentinischem Boden, am späten Nachmittag das berühmte Purmamarca – ein wirklich unglaublicher Ort. Berge aus rotem Gestein, die bei Sonnenuntergang und vor allem während der ersten Morgensonne wie in Flammen zu stehen scheinen. Die Farben sind so stark, dass man beim Betrachten der Fotos das Gefühl hat, man müsse die Sättigung reduzieren, denn das leuchtende Rot wirkt fast künstlich – doch sie sehen wirklich so aus! Hier befindet sich auch der Berg der sieben Farben mit seinen verschiedenen Farbschichten – nur ein Vorgeschmack der atemberaubenden Natur, die uns in den kommenden Tagen erwarten wird.
Wir passieren den Paso de Jama mit seinen 4.200 Höhenmetern, gelangen nach Chile und fahren dann einige Dutzend Kilometer durch die Mondlandschaft des Altiplano auf 4.800 Höhenmetern weiter. Es wird kalt, die Temperaturen liegen bei knapp unter Null und es weht auch ein starker Wind. Dann beginnt der Abstieg nach San Pedro de Atacama auf 3.159 Höhenmeter: Auf dem Asphalt geht es rasant bergab, und nach nur einigen wenigen Kilometern und nicht mal einer Viertelstunde steigen die Temperaturen erneut auf über 15 °C – verrückt!
San Pedro de Atacama ist ein kleines Städtchen in Chile auf dem Altiplano und die für mich schönste Erinnerung der ganzen Reise. Der Ort ist ein wichtiger Knotenpunkt für viele Reisende, und ich fand es sehr schade, dass ich nicht wenigstens einen ganzen Tag dort verbringen konnte. Es gibt keine großen Touristenattraktionen, es ist eine kleine Stadt mit vielen unbefestigten Straßen, niedrigen Häusern, die nur im Erdgeschoss ausgebaut sind, aber mit einer wunderbaren Mischung von Menschen und Kulturen. Der Spaziergang durch die Straßen von San Pedro, inmitten von Musikern und Künstlern aller Art, ist eine Erinnerung, die ich nie vergessen werde.
Auch unser erster Halt am nächsten Tag im Valle de La Luna war ein echter Höhepunkt: Bei diesem Wüstengebiet handelt es sich um ein staatlich geschütztes Nationalreservat. Die einzigartigen Felsformationen, die großen Sanddünen ... hier meint man wirklich, auf dem Mond zu sein! Wir wissen es sehr zu schätzen, dass man diesen magischen Ort schützen wollte. Die Wüste kann gegen Eintritt mit dem Auto oder dem Motorrad durchquert werden. Es gelten Geschwindigkeitsbegrenzungen von 40 km/h, in bestimmten Abschnitten auch von 20 km/h. Das ist sehr wenig – aber man kommt hier auch nicht her, um sich Rennen zu liefern: Man fährt durch die Landschaft und genießt das atemberaubende Schauspiel, das einem diese auf der Welt einzigartigen Berge bieten. Ein weiterer Herzensort.
Unsere Reise geht weiter, wir fahren viel auf Asphalt, durch kleine Dörfer, vorbei an Lagunen, durch zwei verschiedene Salare (einen haben wir bereits in Argentinien durchquert) und genießen Panoramen, wie man sie aus den ersten südamerikanischen Ausgaben der Dakar kennt. Ein Traum wird wahr: Tiefblaue Seen, grasende Lamas, ein Vulkan im Hintergrund, die Schotterstraße, die sich in dieses irdische Paradies hineinzieht. Tja, was soll man sagen – man kann sich der Faszination dieser Gegend in den Anden nur schwer entziehen.
Chile ist das sich wahrscheinlich am schnellsten entwickelnde Land Südamerikas, was man bereits bei der Durchfahrt bemerkt. Das zeigt sich auch an der stabilen Währung. Der chilenische Peso hat einen festen offiziellen Kurs, der sich von dem des argentinischen Pesos stark unterscheidet. Letzterer wird offiziell im Verhältnis 1:170 zum US-Dollar notiert, d. h. für einen US-Dollar erhält man 170 Pesos, doch das ist der von der Regierung angegebene Wert, also der Wert, den man zum offiziellen Wechselkurs erhält. Aber im „wahren Leben“ laufen die Dinge ein wenig anders. Es gibt eine erschreckende Inflation, die die Regierung nicht offiziell machen will, die aber tatsächlich zu einem enormen Wertverlust des Pesos geführt hat (man braucht mehr als 300 Pesos, um 1 USD zu bekommen) – und das merkt man jedes Mal, wenn man etwas in bar statt mit Karte bezahlt ... der Unterschied ist zweieinhalbmal so hoch! In Chile ist das nicht der Fall, und wenn man argentinische Pesos übrig hat, nimmt man sie am besten als Andenken mit nach Hause, denn hier wird sie einem niemand wechseln, weder bei Einkäufen in Chile an der Grenze noch in den Wechselstuben.
Unsere Tour geht weiter auf der Ruta 21 in Richtung Calama. Wir befinden uns in der Region Antofagasta, in der sich Wüsten und Vulkane abwechseln, bis wir gegen Mittag die Grenze zu Bolivien erreichen. Hier ist Geduld gefragt, und wir beginnen mit den Zollformalitäten. Man geht ins erste Büro, dann wird man 100 Meter weiter ins zweite geschickt. Dann muss man wieder zurück, um eine Fotokopie machen zu lassen, dann geht es in ein drittes Büro und dort erfährt man dann, dass ein Dokument fehlt. Aber es geht auch ohne, man geht in ein viertes Büro, noch eine weitere Unterschrift und dann geht man wieder zurück. Und dann? Geht alles nochmal von vorne los. Nach links. Nach rechts. Augen schließen, durchatmen, ruhig bleiben. Wir befinden uns immerhin auf über 3.500 Höhenmetern und an südamerikanischen Grenzen geht es oft so zu. Um ehrlich zu sein, war die Grenzabfertigung von Argentinien nach Chile schnell, aber hier und um von Bolivien nach Argentinien zurückzukehren – ja, das ist eine andere Geschichte. Bei der Einreise nach Bolivien werden die Dokumente sehr streng kontrolliert. Diese Verzögerungen passen eher schlecht zu der Strecke von über 500 km, die wir für heute geplant hatten.
Wir wissen, dass wir nach dem Überqueren der Grenze nur noch knapp zwei Stunden Tageslicht hätten und vor Uyuni gibt es wirklich nichts – gar nichts. Eine Strecke von 230 km, fast vier Stunden Fahrt, auf holprigen Straßen und im Gelände, die Hälfte der Zeit im Dunkeln, bei Temperaturen von -10/-15 °C... Also haben wir beschlossen, zwar alle Dokumente vorzubereiten, aber die Grenze an diesem Tag nicht zu überqueren, im Grenzdorf Ollagüe zu schlafen und am nächsten Morgen früh aufzubrechen. Eine weise Entscheidung!
Wir befinden uns auf einer Höhe von 3.700 Metern, suchen nach einem Schlafplatz für die Nacht und finden schließlich eine kleine Unterkunft, die von einer sehr freundlichen Familie geführt wird. Wir werden mit offenen Armen empfangen. Wir beziehen unsere Zimmer und stellen fest, dass die Heizung nicht funktioniert. Heute Nacht müssen wir uns mit großen Decken zufriedengeben, aber das ist okay. Bevor es dunkel wird, bringen wir die Motorräder in einen kleinen Hof zwischen zwei Mauern, der sich hinter dem Haus befindet. So sind sie wenigstens ein bisschen geschützt: Hier fällt die Temperatur nachts stark ab – wir möchten vermeiden, dass wir unsere Zweiräder am nächsten Morgen komplett eingefroren vorfinden.
Der atemberaubende Sternenhimmel, die Eisenbahn mit dem alten Güterzug, der nur wenige Kilometer entfernte aktive Vulkan Ollagüe, die alte Kirche St. Antonius mit ihren zwei weißen Kreuzen, die sich gegen den dunklen Sternenhimmel abheben. Der Drang, diesen Ort in einer Nacht wie dieser zu bewundern und ein paar Fotos zu machen, war stärker als die bittere Kälte von -13 °C, die mir in die Glieder fuhr ...
Wir brechen früh am Morgen auf, und die Straße von Ollagüe nach Uyuni ist ebenso schön wie tückisch – eine Bestätigung für uns, dass es klug war, die Strecke nicht im Dunkeln und müde zu fahren. Wir kommen in Uyuni und dann beim Salar an – ein magischer Ort, von dem wir geträumt haben, seit wir ihn damals vor 10 Jahren bei der Dakar gesehen haben. Mit der Nachmittagssonne und bei Sonnenuntergang machen wir unsere erste kleine Fahrt in den Salar. Am nächsten Morgen kommen wir abermals her, um 90 Kilometer hineinzufahren. Und das erste Gefühl ist ein Gefühl der Ergriffenheit. Wir spüren das Salz unter den Rädern und denken über jene Dinge nach, die wir nie zuvor so deutlich gefühlt haben wie an diesem Ort: Unendlichkeit, der Horizont, Weite. Es ist ein Ort, an dem man sich wie ein kleines Sandkorn fühlt. Man wird sich der eigenen Natur gewahr, als Lebewesen, das nur als vorübergehender Gast auf dieser Erde weilt. Man fühlt sich klein, aber auch von so viel Schönheit erfüllt. Ich werde dieses Gefühl nie vergessen, ein Gefühl von reiner Schönheit, aber auch von Verwirrung. Es lohnt sich, sich von der Gruppe zu lösen, mit sich selbst allein zu sein, das Weiß zu bewundern und zu wissen: „Ich bin genau dort, wo ich gerade sein möchte.“ Und während ich in das Nichts um mich herum blicke, werde ich emotional und denke an meinen Vater, der vor ein paar Wochen von uns gegangen ist. Gerne stelle ich mir vor, dass er sich jetzt an einem so schönen und friedlichen Ort wie diesem befindet.
Hier verlangsamt sich unser frenetischer Rhythmus, verschluckt von Weiß, vom Nichts, von einem Ort, der sich nie ändert. Man gelangt zur Isla Incahuasi, einer Erhebung mit jahrhundertealten Kakteen, wo man mit Alfredo (Alfredo ist der einzige Mensch, der jemals auf dieser Insel geboren wurde) und seiner Frau sprechen kann: Sie leben hier, an einem Ort weitab der Außenwelt, inmitten eines Meers aus weißem Salz. Sie kochen uns köstlichen Kaffee, sie machen gerne Fotos mit uns, sie lächeln. Sie leben von wenig und es fehlt ihnen im Grunde an nichts. Doch wenn einem dies bewusst wird, fährt man schon längst im sechsten Gang über den weiten Salzteppich, denn hier gibt es soviel zu erleben, zu erkunden. Und irgendwie ist das auch okay. Doch die Schönheit bleibt in mir und ich werde sie nie mehr loslassen.